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XXIX. Internationales Kolloquium des ‘SGdS’:

Sprache und Kontext in der Geschichte der Sprachwissenschaft

Potsdam (D), 4. – 7. Juli 2018

Veranstalter: SGdS & Institut für Romanistik, Universität Potsdam (D)
Organisation: Gerda Haßler & Angelika Rüter

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Boufaden Abderrahim (Oran; Algerien)

Eigenschaft und Aspekt der Kontexttheorie bei Ibn Dschinni (920–1002)

Die Kontexttheorie gilt als eine wichtige Theorie in der Bedeutungslehre. Bevor dem britischen Sprachwissenschaftler „Firth“, haben sich die arabischen Sprachwissenschaftler über der Rolle der Kontexttheorie und ihre Beziehung mit der Sprache beschaeftigt. Die arabische Grammatiker haben den Kontext in Ihren Texten praktisch angewendet, sie haben die Relation zwischen den Wörtern voneinander und dem Kontext beschreibt. Die Wurzeln der Kontexttheorie waren durch El Kassai (189), El Farraa (207), Al Akhfach (215) und noch andere. Sie haben den Kontext mit dem Koran verbindet, um ihm richtig zu interpretieren

Der erste arabische Grammatiker, der sich mit der Kontexttheorie beschäftigt hat, war Ibn Dschinni (920–1002) und genau in seinem Buch „kitāb al-ḫaṣāʾiṣ“. Ibn Dschinni findet, dass das Wort ohne den Kontext keine Bedeutung hat. Er beschrieb Studium des Kontextes mit der Erläuterung und Interpretation von linguistischen Texten beide auf Ebene des Wortes, der Struktur und des ganzen Textes.

Mit diesem Vortrag möchte ich zeigen, dass die arabische Grammatiker besonders Ibn Dschinni haben viele Bemühungen und Beschäftigungen über den Sprache und Kontext geleistet.



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Ana Agud (Salamanca; E)

Die Rolle des Kontextbegriffes bei der Konstitution linguistischer Forschungsgegenstände im 20. Jahrhundert

Der Kontext ist das Ganze weniger der zu erforschende sprachliche Gegenstand. Er wird daher von diesem bestimmt, soll aber wie auch immer die Forschung des einseitig konstituierten Gegenstands an die volle Wirklichkeit des Sprechens rückkoppeln können. Da aber diese Wirklichkeit gerade die Quelle einer jeden Bestimmung und vom forschenden Subjekt nicht unterscheidbar ist, kann der Kontext im Grunde nicht bestimmt werden. Seine Bestimmbarkeit ist eine kontrafaktische Voraussetzung, die die Sachlichkeit des jeweiligen Objekts in Frage stellen kann. Die vorherrschende axiomatische Bestimmung linguistischer Forschungsgegenstände in der Sprachwissenschaft des 20. Jahrhunderts enthält diese Aporie, die schwerwiegende epistemologische Folgen für die Gültigkeit der entsprechenden Forschungen mit sich bringt. Dies soll anhand einiger Forschungsbeispiele erläutert werden. Auch die konstruktive, nicht ideologische Benutzung des Kontextbegriffs in einer nicht axiomatisch begründeten Sprachwissenschaft soll dabei skizziert werden.



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Maria Hozanete Alves de Lima, Felipe Morais de Melo (Nata; Brasilien)

The “eufemism” in the studies of Coseriu and Benveniste

In this paper, we propose a reflection on how linguists Eugenio Coseriu and Émile Benveniste treat the category of "euphemism", its linguistic realization, and how this concept can only be thought from a perspective that considers language in its interrelation with culture. Our study presents a theoretical-comparative character and it is focused on the standpoint presented in the texts "Ancient and modern euphemisms" (Benveniste, 1949), "Blasphemy and euphemia" (Benveniste, 1969) and "Creation metaphor in language" (Coseriu, 1952). The texts allow us to understand that it is necessary to go beyond the purely internal limits of the explanations of language and consider the use and linguistic change from a pragmatic and enunciative perspective. In addition, we will see that the use of the lexicon maintains a direct relationship with the people who speak their own language in a historical and social dimension.



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Vincent Balnat (Strasbourg; F)

Zum Begriff der semantischen Pejoration in der deutschen und französischen Sprachwissenschaft des 19. und frühen 20. Jahrhunderts

Die pragmatische Wende und die jüngere Forschung zum Zusammenhang von Sprache und sozialer Benachteiligung haben zu einer erheblich gestiegenen Zahl der Publikationen zur Frage der Pejoration und zu einer Erweiterung des Begriffs geführt (vgl. u.a. Wiese 2016). Im 19. und frühen 20. Jh. wurde Pejoration (auch: „Bedeutungsverschlechterung/verschlimmerung“) im Kontext der regen Diskussion über den Bedeutungswandel als eine rein lexikalische Erscheinung betrachtet; der Begriff wurde allerdings recht ungenau verwendet, weshalb Blank (1993) von einem „Phantom der Historischen Semantik“ spricht. Ziel meines Beitrags ist es, die wichtigsten sprachwissenschaftlichen Standardwerke jener Zeit und ausgewählte Veröffentlichungen zum Bedeutungswandel zu untersuchen, um die darin vertretenen Auffassungen von Pejoration zu rekonstruieren. Entscheidend sind hier im Wesentlichen zwei Faktoren, die sich wechselseitig beeinflussen können. Es ist dies erstens die jeweilige Auffassung von Bedeutungswandel; hier wird u.a. nach dem genauen Stellenwert der Pejoration zu fragen sein. Mit wenigen Ausnahmen (etwa Jaberg 1901ff.) begnügten sich die meisten Autoren damit, das Phänomen der Pejoration im Zusammenhang mit den psychologischen Ursachen des Wandels zu erwähnen bzw. einige wenige Beispiele zu nennen. Terminologische Überlegungen wurden kaum geleistet, der epistemologische Status des Begriffs blieb vielfach im Dunkeln („Gefühlswert“; vgl. Haßler 1991). Der zweite Faktor ist die Einstellung zur Bedeutungsverschlechterung (bzw. allgemein zum Bedeutungswandel). So wie Pejoration sich auf vielfältige kulturhistorische Faktoren zurückführen lässt, so kann auch der soziohistorische Kontext die sprachwissenschaftliche Behandlung des Phänomens beeinflussen. Reinhold Bechstein (1863) glaubte etwa, darin „einen pessimistischen Zug in der Entwickelung der Wortbedeutungen“ zu erkennen; Darmesteter (1887) meinte, die unteren Bevölkerungs-schichten seien verantwortlich für das Phänomen der Bedeutungsverschlechterung, und Littré (1880) erkannte darin gar eine „pathologie du langage“.

Literatur:

Blank, Andreas, 1993. „Zwei Phantome der Historischen Semantik: Bedeutungsverbesserung und Bedeutungsverschlechterung“. In: Romanistisches Jahrbuch 44, 56–85.

Bechstein, Reinhold, 1863. „Ein pessimistischer Zug in der Entwickelung der Wortbedeutungen“. In: Germania. Vierteljahrsschrift für deutsche Althertumskunde. Bd. VIII. Wien: Carl Gerold’s Sohn, 330–354.

Jaberg, Karl, 1901/1903/1905. „Pejorative Bedeutungsentwicklung im Französischen. Mit Berücksichtigung allgemeiner Fragen der Semasiologie“. In: Zeitschrift für romanische Philologie XXV (1901), 561–601; XXVII (1903), 25–71; XXIX (1905), 57–71.

Darmesteter, Arsène, 1887. La vie des mots étudiée dans leurs significations. Paris: Delagrave.

Haßler, Gerda, 1991. Der semantische Wertbegriff in Sprachtheorien vom 18. bis zum 20. Jahrhundert. Berlin: Akademie Verlag.

Littré, Émile, 1880. Pathologie verbale ou lésions de certains mots dans le cours de l’usage. Paris: Société des amis de la Bibliothèque nationale.

Wiese, Heike, 2016. „What is pejoration, and how can it be expressed in language?“ In: Finkbeiner, Rita, Jörg Meibauer & Heike Wiese (Hgg.). Pejoration. Amsterdam: Benjamins (= Linguistik Aktuell/Linguistics Today, 228), 1–18.



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Beijia Chen (Berlin; D)

Die Auflagen- und Wirkungsgeschichte von Hermann Pauls Prinzipien der Sprachgeschichte um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert

Sprachwissenschaftsgeschichtlich betrachtet, nimmt Hermann Pauls (1846–1921) Principien der Sprachgeschichte (1. Aufl. 1880) — die „Bibel“ der Junggrammatischen Schule (Malmberg, 1964: 12) — eine wichtige Rolle bei der Entstehung und der Entwicklung der modernen Linguistik ein. „Bücher wie das vorstehende, welche allgemeinere Probleme erörtern, verraten eine Wendung zum Bessern […]“, so Misteli (1882: 376) in seiner Rezension der ersten Auflage der Prinzipien. Danach wurden vier weitere veränderte Auflagen (2. Aufl. 1886; 3. Aufl. 1898; 4. Aufl. 1909; 5. Aufl. 1920) mit gewissermaßen inhaltlichen und formlichen Modifikationen bei Pauls Lebzeiten veröffentlicht. Die bisherigen Forschungen nach der Auflagengeschichte der Prinzipien konzentrieren sich hauptsächlich auf den Vergleich der Umarbeitung und Erweiterung verschiedener Auflagen und das Erklären der inhaltlichen Abweichungen (Haß-Zumkehr, 2004; Kilian, 2012). Aber alle diesen Modifikationen waren Pauls Reaktionen auf den ganzen zeitgenössischen sprachwissenschaftlichen Diskurs. Die Änderungen der Prinzipien wirkten sich wiederum auf eine gewissermaßen neue Weise in dem sprachwissenschaftlichen Bereich, wobei sich Pauls Rolle in dem sprachwissenschaftlichen Netzwerk auch veränderte.

Mit der folgenden Fragestellung, wie sich Pauls Sprachtheorie und die ganze sprachwissenschaftliche Gemeinschaft um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert unter gegenseitigem Einfluss entwickelten, werden die Auflagen- und Wirkungsgeschichte von Pauls Prinzipien in dem vorliegenden Beitrag erläutert. Basierend auf einem vollständigen inhaltlichen Vergleich lässt sich die Bedeutung von Paul und seinem Werk mit Rücksicht auf die parallele Entwicklung des ganzen sprachwissenschaftlichen Diskurses klären.

Literatur:

Haß-Zumkehr, Ulrike (2004): Hermann Pauls Principien der Sprachgeschichte. Von der ersten zur zweiten Auflage. In: Gerda Haßler und Gesina Volkmann (Hrsg.): Geschichte der Sprachwissenschaft in Texten und Konzepten. Münster: Nodus Publikationen. Band. I, 277–284.

Kilian, Jörg (2012): Sprachdenken im Spiegel der Auflagengeschichte. Hermann Paul und seine "Prinzipien der Sprachgeschichte". In: Iris Forster, Tobias Heinz und Martin Neef (Hrsg.): Sprachdenker. Frankfurt/M. S. 39–51.

Malmberg, Bertil (1964): New Trends in Linguistics. Translated from the Swedish original by Edward Carney. Stockholm/Lund: Naturmetodens Språkinstitut.

Misteli, Franz (1882): Beurteilungen. Principien der Sprachgeschichte von Hermann Paul. In: Moritz Lazarus und Heymann Steinthal (Hrsg.): Zeitschrift für Völkerpsychologie und Sprachwissenschaft, 13: 376–409.

Paul, Hermann (1880): Principien der Sprachgeschichte. Halle: Max Niemeyer.

——— (1886): Principien der Sprachgeschichte. 2. Aufl. Halle: Max Niemeyer.

——— (1898): Prinzipien der Sprachgeschichte. 3. Aufl. Halle A. S.: Max Niemeyer.

——— (1909): Prinzipien der Sprachgeschichte. 4. Aufl. Halle A. S.: Max Niemeyer.

——— (1920): Prinzipien der Sprachgeschichte. 5. Aufl. Halle A. S.: Max Niemeyer.



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Stefano Corno (Lyon; F)

Weil die Götter lieben, was geheimnisvoll ist.
Parokṣa-Etymologien als Zeichen einer gespalteten Realität

In der brahmanischen Literatur spielen Etymologien eine wichtige Rolle bei der Erklärung sinnreicher Begriffe. Neben den klassischen Methoden zur Etymologie ist auch ein spezielles Verfahren zu bemerken, das zwei Ebenen in der Satzanalyse voraussetzt: es heißt Parokṣa (wörtlich ausser Sicht, unsichtbar, d.h. geheimnisvoll). Dieser Begriff bezeichnet Etymologien, die nicht ganz offensichtlich sind, wie das folgende Beispiel aus Śatapatha Brāhmaṇa (6.1.1.11) zeigt:

Dieser Embryo, der im Inneren stand, wurde als Agni erschaffen. Da er am Anfang (Sanskrit agrí) der ganzen Schöpfung erschaffen wurde, ist er Agri genannt. Dieser Agri heißen aber die Götter heimlich Agni, weil sie lieben, was geheimnisvoll ist.

Zwei Realitätsebenen sind hier dargestellt: die eine, die die echte Wahrheit ist, während die andere nur eine trügerische, von den Göttern verfälschte Realität zeigt. Anders gesagt: die Götter verbergen vor den Menschen die richtige Interpretation der Realität.

Die Versuche, dieses Verfahren auszulegen, haben manchmal beschlossen, es sei eine Erfindung der Götter, um sich von den Menschen zu schützen (so Malamoud 1989: 241 sqq.). Unter den Menschen können nur die Brahmanen, die auch die Autoren dieser Texte sind, diese wahre göttliche Sprache verstehen, und das erlaubt ihnen, die Hauptrolle in der indischen Gesellschaft zu behalten.

Das Wort Parokṣa wurde auch später im Nirukta mit seinem Gegenteil Pratyakṣa in Betracht genommen und als eine Interpretationskategorie beurteilt (dazu vgl. Pontillo 1995).

In diesem Vortrag möchte ich darstellen, wie die Parokṣa-Etymologien in den brahmanischen Texten auftauchen und wie in verschiedenen Zeiten und Traditionen beurteilt worden sind.

Literatur:

DEEG, Max, 1995. Die altindische Etymologie nach dem Verständnis Yāska’s und seiner Vorgänger. Eine Untersuchung über ihre Praktiken, ihre literarische Verbreitung und ihr Verhältnis zur dichterischen Gestaltung und Sprachmagi, Würzburg, Verlag J.H. Röll.

MALAMOUD, Charles, 1989. Cuire le monde. Rite et pensée dans l’Inde ancienne, Paris, Éditions la Découverte.

PONTILLO, Tiziana, 1995. Il parokṣa come oggetto delle etimologie (del Nirukta e dello Śatapatha Brāhmaṇa, in Rendiconti dell’Istituto Lombardi di Scienze e Lettere (RIL), Milano, S. 527–538.



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Paola Cotticelli (Verona; I)

The category of conjunctions in the Middle ages: a metalinguistical approach

The paper focuses on the grammatical category of conjunctions providing a first systematic description of the terms used in particular by the ancient Latin grammarians and of their reception in the Middle Ages. The research bases on previous studies about the general definition of conjunction, like Baratin 1989 and Galán Sánchez 2005, which studied some rappresentative types of conjunctions and classifies them as copulativae, rationales, causales, as well as Charpin 1965, Gutiérrez Galindo 1988, 1991. The aim is to give an overview in order to trace the path of a hidden tradition. I will proceed through the examination of ancient and medieval grammatical texts searching some definitions containing (ad/con)nectens and ordinans, or the lexeme sententia/sententiae (sg. or pl.) or dictio(nem) to reach a systematic collection of data concerning the terminology of conjunctions. The ultimate goal of this research which will not be limited to the terminology strictly related to the category of conjunctions, but also to the syntactic fields that belong to “government”, “subordination”, “coordination”, “sentence”, and “phrase”, in order to use modern terms. Such reasoned lexicon can be a tool for assessment of and reflection on the history of grammatical concepts.



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Alena A. Fidlerová (Prag, CZ)

Stylistics as the Intersection of Linguistics, Logic and Psychology in Nástin sloho-vědy čili stylistiky by Ignác Jan Hanuš (1864)

Ignác Jan Hanuš (1812‒1869), a Czech and German writing philosopher of broad interests ranging from academic philosophy and logic to Slavonic mythology, old alphabets or philology, published towards the end of his life a concise stylistic textbook entitled Nástin sloho-vědy čili stylistiky (1864). This work, partly inspired by his stint as a private teacher of young adults after he had to quit the university for political reasons, represents an interesting attempt to base the advice of a practical stylistic manual on the foundations of linguistics (or philosophy of language), and psychology and logic. With an explicit reference to August Schleicher, Hanuš defines stylistics as a historical discipline studying the development of style as the development of language itself. Consequently, stylistics is to be based on the understanding of the structure of human thought, feelings, and memory, which in its specifically elliptic way mirrors the structure of the material world depicted as a living organic whole interconnected by countless mutual relations. Hanuš attempts here at the synthesis of several disciplines, and within the philosophy of language of several older approaches, most prominently of the modified tradition of universal grammar, and the 19th century genetic and organic notion of language, presenting language and its constituent parts as living organisms transformed significantly during their historical development. The aim of the paper is to analyse and interpret this rather eclectic, but also original and unique attempt to conceive of stylistics as a fundamental part of the philosophy of language founded on psychology and logic, and to show, to which extent the understanding of the practical section of the textbook is or is not enriched and transformed by this theoretical foundation.



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Thorsten Fögen (Durham; GB)

Geschlechtsspezifische Kommunikation in Agrippa von Nettesheims Schrift De nobilitate et praecellentia foeminei sexus (1529)

Im Jahre 1529 veröffentlichte der deutsche Universalgelehrte Heinrich Cornelius Agrippa von Nettesheim (1486–1535) seine Schrift De nobilitate et praecellentia foeminei sexus („Vom Adel und Vorrang des weiblichen Geschlechts“). Mit seinen 98 Paragraphen umfaßt dieses kleine Werk in einer modernen Edition wie derjenigen von Otto Schönberger (1997) zwar lediglich fünfundzwanzig Seiten, enthält aber trotz seiner Kürze eine Fülle von Argumenten, mit denen die Vorzüge der Frauen auf verschiedensten Gebieten veranschaulicht werden sollen. Der Verfasser spricht sich dabei wiederholt dafür aus, daß Frauen letztlich über Männern rangieren.

Dies schließt auch den Bereich von Sprache und Kommunikation ein, deren Rolle innerhalb des Traktats dieser Vortrag genauer beleuchten möchte. Dabei soll u.a. untersucht werden, in welcher Weise Agrippa von Nettesheim auf Reflexionen zu geschlechtsspezifischer Kommuni¬kation zurückgreift, wie sie sich in der griechisch-römischen Antike finden (siehe dazu Fögen 2004, Fögen 2009a, Fögen 2009b und Fögen 2010). Doch auch auf ausgewählte Vorbilder aus dem Mittelalter und der Renaissance ist einzugehen, um einschätzen zu können, inwieweit Agrippa von Nettesheims Gedankengänge zur „Frauenfrage“ durch die Tradition beeinflußt wurden.

Literatur:

Angenot, Marc (1977): Les champions des femmes. Examen du discours sur la supériorité de femmes 1400–1800, Montréal.

De Maio, Romeo (1987): Donna e Rinascimento, Milano.

Fögen, Thorsten (2004): Gender-specific communication in Graeco-Roman antiquity. With a research bibliography. In: Historiographia Linguistica 31, 199–276.

——— (2009a): Sermo corporis. Ancient reflections on gestus, vultus and vox. In: Thorsten Fögen & Mireille M. Lee (eds.), Bodies and Boundaries in Graeco-Roman Antiquity, Berlin & New York, 15–43.

——— (2009b): Tears in Propertius, Ovid and Greek epistolographers. In: Thorsten Fögen (ed.), Tears in the Graeco-Roman World, Berlin & New York, 179–208.

——— (2010): Female speech. In: Egbert J. Bakker (ed.), A Companion to the Ancient Greek Language, Malden, Mass. & Oxford, 311–326.

Schönberger, Otto (1997): H. Cornelius Agrippa von Nettesheim: De nobilitate et praecellentia foeminei sexus — Vom Adel und Vorrang des weiblichen Geschlechtes. Lateinischer Text und deutsche Übersetzung in Prosa, Einleitung und Anmerkungen, Würzburg.



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Stefano Gensini (Rom; I)

On Alan H. Gardiner’s linguistic theory

The role played by Alan H. Gardiner (1879–1963) in the development of pragmatics has been opportunely emphasized by recent studies (see, e.g., Nerlich & Clarke 1996). But Gardiner’s concept of ‘Act of Speech’ as well as his elaboration of the ‘context of situation’ also had (and still has) a theoretical impact that deserves careful consideration. At odds with the mainstream ‘analytic’ approach to pragmatics, Gardiner suggested that the context cannot be seen as a variable added to the literal meaning; likewise — in historical-natural languages — pragmatics cannot be seen as merely ancillary to semantics. The context of situation should be placed, indeed, at the basis of the communication process. It is the force driving both the choice of language resources by the speaker and their interpretation by the listener. It will be argued that Gardiner’s ‘Act of Speech’ stemmed from the fusion of his experience as an Egyptologist with Saussure’s elaboration of the ‘circuit de la parole’ and Malinowski’s discussion of the crucial importance of ‘contexts’ for the anthropological research. Some aspects of today’s relevance theory — it will be also argued — were effectively anticipated by Gardiner: the active role played by the listener is a good case in point; his attention to the multimodal features of communication (e.g., tonal and prosodic variables integrated into the sentence production) is another. In order to illustrate Gardiner’s theory of ‘context’ we’ll be referring not only to his classical 1932 book, The theory of Speech and Language, but also to later, forgotten linguistic papers as well as to some unpublished excerpts from Gardiner’s archive at the Griffith Institute (Oxford University).

References:

Barolini, F., 2013, “Alan H. Gardiner dall’egittologia alla pragmatica linguistica”, in Blityri, II/1, pp. 127–48.

Gensini, S. 2010, “Jakobson, Gardiner e gli altri. Appunti su un puzzle storico-teorico”, in Studi filosofici, 33, pp. 235–53.

Nerlich, B & D. D. Clarke, 1996, Language, Action and Context. The Early History of Pragmatics in Europe and America (1780–1930), Amsterdm-Philadelphia, John Benjamins Pub. Co.



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Bernard Hurch (Graz; A)

Die "sekundäre" deutschsprachige Baskologie des 19. Jahrhunderts

Es gab zu Beginn und zum Ende des 19. Jahrhunderts zwei hervorragende deutschsprachige Vertreter der Baskologie, die für das Fach und für die deutsche Sprachwissenschaftsgeschichte Bleibendes verfaßt haben: Wilhelm von Humboldt und Hugo Schuchardt. Auf die besondere Bedeutung dieser beiden wurde oft verwiesen: Michelena (1982), Bossong (1984), Hurch (2009). Sie sind hier auch nicht Gegenstand der Beschäftigung. Doch gab es dazwischen eine Menge von Studien und Initiativen, die zum Großteil unbekannt, ja viele davon auch unveröffentlicht geblieben sind. Namen, die hier auftauchen, sind Goldmann, G. Görres, Mahn, Cruel, Hannemann, Linschmann, A. Grimm, A. Mommsen, Gerland, Stempf, Hübner, Topolovšek u.a., aber auch bekannte Namen wie Pott, Gabelentz oder Fr. Müller. Der Beitrag zielt darauf ab, zum einen eine (hoffentlich) vollständige Liste dieser Arbeiten zu geben und im Hauptteil, eine Kasuistik dieser Studien im Rahmen einer Wissenschaftsgeschichte des Jahrhunderts zu entwickeln. Dies soll vor allem anhand von Kriterien wie fortschreitende Kanonisierung und Institutionalisierung der wissenschaftlichen Fächer (mit den dazugehörende Voraussetzungen, Verästelungen und Konsequenzen) in einem begründbaren System geschehen. Eine wesentliche Rolle spielt in diesem Prozeß der teilweise marginale Status des Baskischen als nicht-indogermanische Minderheitensprache, das Verhältnis zur und in die Romanistik und andere Philologien, und natürlich gerade auch die Andersheit des Baskischen, das Exotische inmitten des Bekannten.



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Aino Kärnä (Helsinki, FIN)

Autoren und Leser der Grammatiken der frühen Neuzeit.
Wie zeigt sich die Bezugnahme des Benutzerkreises in den Lateinlehrbüchern der Zeit?

[_Abstract folgt_]



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Clemens Knobloch (Siegen; D)

Hermann Pauls sprachpsychologische Wurzeln und sein Verhältnis zum Evolutionismus

Thesen:

[1] Während der bekennende Darwinist August Schleicher trotz aller Bekenntnisse in Theorie und Praxis ein romantischer Hegelianer blieb, war der Evolutionismus um 1900 im linguistischen mainstream fest im „Denkstil der Epoche“ (Ludwik Fleck) angekommen.

[2] Der bekennende Antidarwinist Hermann Paul war nach Denkstil und Methodik zugleich der ausgepichteste und konsequenteste Evolutionist in der Geschichte der historisch- vergleichenden Sprachwissenschaft.

[3] Aus der Psychologie des 19. Jahrhunderts hat sich Hermann Paul die Ansätze herausgesucht, die mit seiner evolutionistischen Axiomatik kompatibel waren oder kompatibel gemacht werden konnten.

[4] Der „Ort“ der sprachlichen Evolution ist für Paul die Psyche des Individuums, ihre treibenden Kräfte sind die Variation und die Bewährung der Varianten in der Wechselwirkung der sprechenden Individuen.

[5] Drei psychologische Leitgedanken: die dynamische Konkurrenz der „Vorstellungen“ um die knappe Ressource Bewusstheit (Herbart); die Bewährung alles Sprachlichen in Verkehr und Wechselwirkung der Individuen (Wegener); die permanente Neuerzeugung der Sprache in jedem individuellen Sprechakt (Steinthal).

[6] Während sein Widersacher Wundt Sprache in der Evolution des Ausdrucksgeschehens als deren höchsten Fortschritt lokalisiert, beschränkt sich Paul nüchtern auf die Dynamik von Variation und Selektion in der Nische des sprachlichen Bewusstseins und exploriert die Homologien zwischen der Ausbreitung und Veränderung einer biologischen Art und eines Dialektes.

Literatur:

Auer, Peter et al., eds. (2015): Hermann Paul's 'Principles of Language History' Revisited. Berlin: De Gruyter.

Coseriu, Eugenio (1974): Synchronie, Diachronie und Geschichte. München: Fink [zuerst spanisch 1958].

Delbrück, Berthold (1901): Grundfragen der Sprachforschung, mit Rücksicht auf W. Wundts Sprachpsychologie erörtert. Strassburg: Trübner.

Knobloch, Clemens (1988): Geschichte der psychologischen Sprachauffassung in Deutschland von 1850 bis 1920. Tübingen: Niemeyer.

——— (1997): „Hermann Paul und die Sprachphilosophie“. In: Beiträge zur Geschichte der Sprachwissenschaft 7,1. S. 121–142.

Mayr, Ernst (2005): Was ist Evolution? München: Goldmann [zuerst 2001 engl. unter dem Titel What Evolution is, New York: Basic Books].

Paul, Hermann (1920): Prinzipien der Sprachgeschichte. 5. Aufl. Tübingen: Niemeyer [1. Aufl. 1880, 2. Aufl. 1886, 3. Aufl. 1898, 4. Aufl. 1909].

Reis, Marga (1978): „Hermann Paul“. In: PBB 100. S. 159–204.

Schleicher, August (1873): Die Darwinsche Theorie und die Sprachwissenschaft. Weimar.

Steinthal, Heyman (1881): Einleitung in die Psychologie und Sprachwissenschaft. 2. Aufl. Berlin: Ferdinand Dümmler.

Wegener, Philipp (1885): Untersuchungen über die Grundfragen des Sprachlebens. Halle a.S.: Niemeyer [Nachdruck in der von Konrad Koerner herausgegebenen Reihe Classics in Psycholinguistics, Amsterdam: Benjamins 1991, mit einem Vorwort von C. Knobloch].



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Martin Konvička (Berlin; D)

Degrees of grammatical status. The history of a disputed concept

In my presentation, I will focus on the history behind the concept of different degrees of grammatical status. According to this idea, expressions such as the auxiliary have in (1) are less grammatical than cliticised expressions such as ’ve in (2) because they are phonologically more reduced.

(1) I have got a dog.
(2) I’ve got a dog.

The concept of degrees of grammatical status is not unequivocally shared by all models. However, models subscribing to the idea view grammatical status of an expression as being dependent on the form of the expression in question. A clitic or an affix is analysed as more grammatical than a free word. The formal progression from an unbound morpheme via a clitic towards an inflectional morpheme, illustrated in (3), is conceptualised as going hand in hand with a shift along a cline of grammaticality (4).

(3) have > have > ’ve
(4) lexical > grammatical > more grammatical

This hierarchy between more and less grammatical expressions has furthermore become the basis for such concepts as secondary grammaticalisation, continued grammaticalisation, degrammaticalisation, antigrammaticalisation, regrammaticalisation or lateral shifts.

In my presentation, I will first briefly critically discuss the idea that some expressions are supposedly more grammatical than others. Afterwards, I will focus on the origins of this concept. As I argue, there are two strains of thought behind it. On the one hand, there is Kuryłowicz’s (1964; 1965) extension of Meillet’s (1912) original definition of grammaticalisation, as described by von Mengden (2016, 125). On the other hand, the clines of grammaticality are reflexes of the nineteenth century typology, e.g. von Humboldt (1836), that categorised synthetic languages as more developed than analytic or isolating ones.

References:

Humboldt, Wilhelm von, 1836. Über die Verschiedenheit des menschlichen Sprachbaues und ihren Einfluß auf die geistige Entwicklung des Menschengeschlechtes. Reprint von Humboldt, Wilhelm, 1972. Schriften zur Sprachphilosophie. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft. 368–756

Kuryłowicz, Jerzy, 1964. The Inflectional Categories of Indo-European. Heidelberg: Winter.

———, 1965. The evolution of grammatical categories. Diogenes, 13 (51). 55–71.

Meillet, Antoine, 1912. L’évolution des formes grammaticales. Scientia (Rivista di scienza), 12 (6). 384–400.

Mengden, Ferdinand von, 2016. Functional changes and (meta-)linguistic evolution. In Muriel Norde & Freek Van der Velde (eds.) Exaptation in Language Change. Amsterdam: John Benjamins. 121–162.



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Stephanos Matthaios (Thessaloniki; GR)

Vom gesprochenen zum geschriebenen Akzent: Der Zirkumflex und die Ursprünge der Bezeichnung περισπωμένη

Der Übergang von dem gesprochenen zum geschriebenen Akzent stellte im Rahmen der klassischen Literatur-, Kultur- und Geistesgeschichte einen außerordentlich signifikanten Wendepunkt dar, der die Entwicklung der antiken Akzentuations- und Prosodielehre besonders markierte. Die Notwendigkeit, Akzente graphisch kenntlich zu machen und, darüber hinaus, prosodische Zeichen in den Text zu setzen, ist ein Vorgang, der mit der Etablierung der sogenannten Schreib- bzw. Buchkultur in unmittelbarem Zusammenhang steht. An dem Prozess der theoretischen Begründung gesprochener Akzente und der Prägung graphischer Zeichen zu deren Kennzeichnung waren Philologen und Grammatiker, die in hellenistischer Zeit in Alexandria und Pergamon tätig waren, aktiv beteiligt. Überhaupt ist die antike τέχνη γραμματική, die Literaturkunde und Grammatik des griechischen Altertums, als Produkt der antiken Schreib- und Buchkultur zu verstehen. Mein Beitrag zielt darauf ab, den Prozess der Neudefinition der griechischen Akzente unter Berücksichtigung dieses besonderen Kultur- und Paradigmenwechsels nachzuzeichnen. Im Mittelpunkt meiner Erörterung steht der Zirkumflex. Es soll konkret danach gefragt werden, wie der Übergang von der Mündlichkeit zur Schriftlichkeit die Auffassung von diesem Akzent beeinflusste und, darüber hinaus, die Einführung des Terminus περισπωμένη (sc. προσῳδία) zu dessen Bezeichnung motivierte.



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Vladimir I. Mazhuga (Sankt-Petersburg; RUS)

Die von Stoikern beeinflusste Definition des Nomens in griechischer Tradition

In ihrer Ontologie haben die Stoiker bekanntlich nur bestimmte materielle Körper als echte Wesen angesehen, dabei aber haben sie ihnen gewöhnlich gewissen Dynamismus geliehen und hießen sie gleicherweise τὸ σῶμα und τὸ ἑκτόν. Sie haben inzwischen zum Thema des Verstandes von Wirklichkeit mittels der Sprachbegriffe mit viel Vorsicht behandelt. Die Ereignisse von Dasein, die sie mit dem Wort τὸ πρᾶγμα wiedergaben, betrachteten sie vor allem als eine Vorstellung im Bewusstsein eines Gesprächspartners, die sie τὸ λεκτόν, aber auch wieder πρᾶγμα nannten. Sie legten viel Gewicht auf die besondere Beschaffenheit (ποίον, ποιότης) jedes σῶμα oder ἑκτόν, aber die Differenzierungsprinzip διαφορά sahen sie als dem Bereich der Vorstellungen τὸ ἐννόημα gehörig an.

Ziemlich schwierig konnte die Vorstellung von einem Genus der Sachen in die Theorie der Stoiker angenommen werden. Die Stoiker haben deshalb die Nomina propria von den Appellativen stark abgesondert. Und so definierte Diogenes von Babylon (c. 230–150 v. Ch.) die ersten als der Redeteil, der die eigene individuelle Beschaffenheit der Sache zeigen (D. L. VII, 58: δηλοῦν ἰδίαν ποιότητα), während die Appellativen stellte er als ein besonderen Redeteil (προσηγορία), der die Beschaffenheit des ganzen Genus bezeichnete: σημαῖνον κοινὴν ποιότητα.

Inzwischen hat sich der im Grunde immaterielle Begriff der stoischen Sprachtheorie πρᾶγμα auf die Bedeutung des gewöhnlichen Wortes πρᾶγμα bei den in stoischer Philosophie gebildeten Menschen wie Philon von Alexandria wiedergespiegelt. Wir treffen bei diesem Autor nicht selten auf eine Gegenüberstellung des materiellen σῶμα, einerseits, und des eine geistige Handlung bezeichnenden πρᾶγμα, andererseits. Der Papyrus P Yale I. 25 aus dem 1. Jh. n. Ch. bezeugt das erste Eindringen dieser Alternative in die Definition des Nomens, der von den Appellativen noch abgesondert bleibt: […. ὄνομα μ]ὲν οὖν ἐστιν λέξις [ποι-ότητα σώ]ματος ἢ πράγνατος | [σημαίνουσα (Wouters 1979: 49, 6–8; bei Wouters οὐσίαν statt ποιότητα).

Der provinzielle Schullehrer hat davon wahrscheinlich nichts gewusst, dass der in Alexandria in 2. Drittel des 1. Jh. v. Ch. tätiger Grammatiker Tryphon die Appellativen schon den Nomina propria in einer Kategorie untergeordnet hat (Sch. in D. Th. Gram. 356.21–22). Der Berühmte Grammtiker Apollonius Dyscolus, der zwei Jahrhunderte später lebte, folgte offensichtlich der Definition dieses wichtigsten Vorgängers. Seine eigene Definition ist bei einem Scholiasten direkt bezeugt (Sch. 524.8–10), darüber hinaus bei Priscianus und zwei anderen griechischen Scholiasten.



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James McElvenny (Edinghburgh; GB)

Steinthals Sprachwissenschaft und die Entstehung des Neukantianismus

Die Sprachwissenschaft H. Steinthals (1823–1899) wird oft als Fortsetzung des Gedankengutes von Wilhelm von Humboldt (1767–1835) betrachtet, wobei Steinthal die zweifache Perspektive des deutschen Idealismus und der Assoziationspsychologie Johann Friedrich Herbarts (1776–1841) einnimmt. Diese Auffassung der Arbeit Steinthals ist zwar richtig, aber unvollständig, denn Steinthal beteiligte sich an den im Deutschland der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entflammenden Debatten, die letztendlich zur Entstehung des Neukantianismus führten. Der Zusammenhang zwischen diesen Debatten und der Völkerpsychologie von Steinthal und M. Lazarus (1824–1903) ist weitgehend bekannt; ein Aspekt, der jedoch bisher weniger Aufmerksamkeit bekommen hat, sind die späteren Bemühungen Steinthals, seine linguistischen Gedanken der sich wandelnden intellektuellen Umgebung anzupassen. In diesem Beitrag untersuchen wir die spätere Entwicklung der Sprachwissenschaft Steinthals in diesem Kontext. Hauptquelle für die Untersuchung sind die zahlreichen von Steinthal verfassten Rezensionen und Erwiderungen in der von ihm und Lazarus herausgegebenen Zeitschrift für Völkerpsychologie und Sprachwissenschaft.



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Felipe Morais de Melo, Maria Hozanete Alves de Lima (Natal; Brasilien)

Saussure’s fragments and texts about "facts of synonymy"

The work Écrits de Linguistique Générale — ELG — (Saussure 2002) comprises a set of specific manuscript texts by linguist F. de Saussure that allows us to contemplate the reflections of a linguist engaged in an intense discourse on language. In ELG (Saussure 2002) we find Saussure’s fragments and texts through which we can track his discursivity about "facts of synonymy". Although the data seems fragmentary, following the path outlined by F. de Saussure in an attempt to define “facts of synonymy” and determine the way they operate is a significant historiographical exercise in the science of language especially for those interested in the thought of the genevois linguist. In this investigative exercise, we are guided by the subsequente questions: 1. What reasons led F. de Saussure to be interested in the “facts of synonymy”? 2. How does the linguist handle, theoretical and methodologically, with this type of linguistic manifestation?



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Cordula Neis (Flensburg; D)

Bedeutungskonzeptionen in der Sprachtheorie des 17. und 18. Jahrhunderts

Im europäischen Sprachdenken des 17. und 18. Jahrhunderts spielen Überlegungen zum Bedeutungskonzept eine wesentliche Rolle. In der Sprachdiskussion zu Beginn des 17. Jahrhunderts herrschte allgemeine Einigkeit darüber, dass Zeichen Bedeutungshaftigkeit zuzuschreiben sei. Kein Konsens bestand indes über die Frage, ob die Bedeutung mit ihrem Referenzobjekt identisch sei oder ob es sich dabei um eine Idee handele, welche die Menschen mit dem Referenzobjekt verbanden.

Im sprachtheoretischen Rationalismus, wie er etwa in der Grammatik und Logik von Port-Royal zutage trat, wurden Bedeutungen als von der Referenz zu unterscheidende mentale Entitäten verstanden, die für alle Angehörigen einer Sprachgemeinschaft identisch seien. Diese Auffassung wurde jedoch von Verfechtern einer sensualistischen Erkenntnistheorie wie etwa Locke oder Condillac in Frage gestellt. Nach Lockes Auffassung im Essay concerning human understanding (1690) führt gerade die fehlende Identität von Bedeutungszuschreibungen durch verschiedene Sprachbenutzer zu Erscheinungen wie sprachlichen Unvollkommenheiten (imperfections of words) und Sprachmissbrauch (abuse of words). In der Erkenntnistheorie Lockes erweist sich die Bedeutung eines Wortes als ein kompliziertes Zusammenspiel aus einfachen und komplexen Ideen. Da Wörter ohnehin oftmals eher missbräuchlich zum Zwecke der Verschleierung von Bedeutung („to raise mist before our eyes“) verwendet werden, wird eine eindeutige Identifizierung ihrer Bedeutung im alltäglichen Sprachgebrauch oftmals erschwert. Insbesondere die Vagheit der Bedeutungen der Bezeichnungen moralischer Begriffe erhebt Locke zum Gegenstand seiner Sprachkritik.

Eine wichtige Rolle in der Diskussion des Bedeutungsbegriffes spielt auch die etwa von den Autoren der Logik von Port-Royal, Arnauld und Nicole, vorgebrachte Notwendigkeit der Unterscheidung von Ideen, die ein Wort als solches bezeichnet (idées signifiées) einerseits und Ideen, die der Sprecher seinerseits hinzufügt (idées ajoutées), andererseits. Arnauld und Nicole ebnen damit der später etwa in den Werken von Girard und Du Marsais gipfelnden Diskussion um die Synonymie von Wörtern und deren Unterscheidung von Haupt- und Nebenideen den Weg. Diese Differenzierung wird in der Folgezeit auch von zahlreichen anderen Sprachtheoretikern des 18. Jahrhunderts, darunter Condillac oder Francesco Soave, vorgenommen.

Im Kielwasser der augustinisch-rationalistischen Sprachtheorien hatten die Grammatiker und Logiker von Port-Royal die Existenz eines reinen, sprachunabhängigen Denkens postuliert und die Sprache als ein erst in zweiter Instanz entstandenes Medium zur Kommunikation von Begriffen innerhalb einer Sprachgemeinschaft verstanden. Ihre semantischen Konzeptionen sollten einen wesentlichen Einfluss auf die weitere Entwicklung von Vorstellungen zum Wesen der Sprache, zum sprachlichen Zeichen und dessen Eigenschaften (etwa zur Arbitrarität) und zum Bedeutungsbegriff haben.

In diesem Beitrag sollen wesentliche Elemente der Diskussion um den Bedeutungsbegriff im 17. und 18. Jahrhundert nachgezeichnet werden.



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Karsten Rinas (Olmütz; CZ)

Dependenz und Konstituenz in der Geschichte der Interpunktionslehre

In der Geschichte der Syntaxforschung wurden immer wieder — mal mehr, mal weniger explizit — die Struktur-Konzeptionen der Dependenz und der Konstituenz bemüht. Spätestens mit dem Aufkommen von Lucien Tesnières Dependenz- und Valenztheorie wurde das Verhältnis von Dependenz und Konstituenz eingehender diskutiert, ohne dass man hierbei zu einem klaren Ergebnis gekommen ist (vgl. etwa Uzonyi 2003, Rojek 2009, Ágel & Fischer 2010).

In diesem Vortrag soll die Reflexion von Dependenz- und Konstituenz-Konzeptionen im Umfeld der Interpunktionslehren thematisiert werden. Es soll demonstriert werden, dass diese Konzeptionen bereits in der antiken Interpunktionslehre angelegt waren, aber auch in neuzeitlichen Beiträgen weiterentwickelt wurden. Neben antiken Interpunktionstheorien sollen hierbei vor allem Lehren aus dem deutschen Sprachraum berücksichtigt werden (vgl. Rinas 2017).

Auf diese Weise lässt sich demonstrieren, dass bereits im Kontext der antiken Interpunktionstheorie eine (vage) syntaktische Analyse angelegt war, die namentlich in der stark syntaktisch geprägten deutschen Interpunktionslehre eine Modifikation und Präzisierung erfuhr.

Literatur:

Ágel, Vilmos & Klaus Fischer (2010) „50 Jahre Valenztheorie und Dependenzgrammatik“. In: Zeitschrift für germanistische Linguistik 38. S. 249–290.

Rinas, Karsten (2017) Theorie der Punkte und Striche. Die Geschichte der deutschen Interpunktionslehre. Heidelberg: Winter.

Rojek, Tomasz (2009) Dependenz und Konstituenz: Zu Konvergenzen zwischen der Dependenzgrammatik, IC-Analyse und GB-Theorie. Kraków: Jagiellonian University Press.

Uzonyi, Pál (2003) „Dependenzstruktur und Konstituenzstruktur”. In: Ágel, V. et al. (Hgg.) Dependenz und Valenz. Bd. 1. Berlin/New York: de Gruyter, S. 230–247.



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Alfredo Rizza (Verona; I)

Thoughts and comments on Heidegger's reading of the Aristotelic reflection about Language

M. Heidegger studied Aristotle intensively during the period between the Habilitatioschrift (1916) and Sein und Zeit (1927). He taught about Aristotle's basic concepts both in Freiburg (1919–1923) and in Marburg (1923–1928). In Marburg, in the Sommersemester 1924, he offered a class about the “core concepts of Aristotelic philosophy”. One particular aspect concerns the human being as an “animal with logos” where Heidegger comments about the distinction between λόγος and φωνή.

This paper considers again the role of Heidegger's original intrerpretation of Aristotle for the history of the reflection on language. Heidegger's distinction among λόγος and φωνή is tested against arstotelic works such as the de anima and the de interpretatione, where the semiotic value of φωνή is most evident. We expect results that can better explain the path that led to the polarization of φωνή to the non semantic articulation of human language.



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Sergei Romashko (Moskau; RUS)

KontextIntertextLocus Communis in der Geschichte der Sprachwissenschaft.
Interpretation und Diagnostik der Wissenschaftsdynamik

Die Geschichte der Sprachwissenschaft kann auch als Diskursgeschichte analysiert und beschrieben werden (Textstrukturen, Gattungen, intertextuelle Bezüge, diskursive Traditionen und Umbrüche usw.). Loci Communi wird dabei kaum ein ehrwürdiger Platz beschieden, was durchaus konsequent aus dem Modell der neuzeitlichen Wissenschaft (= Wissensprogress) folgt. Dennoch zeichnen sich gerade wissenschaftliche Texte kaum durch Freiheit im Werden und Weiterleben, und ihre Elemente, die als Loci Communi betrachtet werden können, bilden einen Bestandteil dieser Dynamik (Begriffsbezüge, Paradebeispiele, Argumentationsmuster, Analogiebildungen u.a.m.). D.h. aber, dass auch die Loci selbst einer Dynamik unterworfen sind und sind imstande, dem Kontext entsprechend, unterschiedliche Betrachtungsperspektiven zu vertreten. Außerdem sind Loci, ihre Interpretations- uns Funktionsverschiebungen und ihr Wechsel ein gutes Diagnostikum für Kontinuation und Diskontinuation in der Wissenschaftsgeschichte. Am Beispiel der Sprachreflexion des 16. –19. Jh.



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Angela Senis (Paris; F)

A linguistic contextual theory of meaning: what does it mean for John Rupert Firth?

Firth's global approach to language has been described as a contextual theory of meaning (Bazell & al. 1966 : v-vi ; Robins 1967 : 253). The context, of which Firth (1890–1960) introduced several variations (context of culture, situation, or experience for the most common ones), is therefore at the core of his analysis of language.

What is original here is that the context is both object of analysis and tool to perform such an analysis, as the study of certain lexical, morphosyntactic and phonological phenomena will reveal. It therefore stands out as a unifying motive applied in all the aspects of Firth's "spectrum method" of analysis, transcending the fragmentation of the language sciences observed throughout the 20th century.

Defining the context in firthian terms will require my coming back briefly to its origins (Wegener 1885, Bally 1913, Gardiner 1932, Malinowski 1949 as shown in Senis 2018 forthcoming).

Then I intend to study practical manifestations linked to the firthian concepts of collocation, colligation or phonaesthesia in order to show how central the concept of context was to Firth and how he used it. My aim is thus to shed light on the indefectible bound that links language and context as far as firthian linguistics is concerned. By insisting on its transversality in the different aspects of the language sciences, I hope it will appear clearly as the unifying motive, central to firthian linguistics.



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Friederike Spitzl-Dupic (Clermont-Ferrand; F)

Annäherungen an die Analyse der Bildung und Bedeutung von polylexikalen Ausdrücken („Redensarten“) in der Geschichte des grammatikographischen und sprachphilosophischen Denkens (18. –19. Jahrhundert)

Während in unserem Untersuchungszeitraum polylexikale Ausdrücke — zeitgenössisch meist „Redensarten“ — lexikographisch z.T. als intensiv erfasst gelten können (z.B. Cramer 1712–15), werden sie in den Grammatiken des Deutschen zwar häufig erwähnt, manchmal auch aufgelistet, aber selten weiter analysiert (vgl. dazu Linke 1982: 368–369). In der Rhetorik (z.B. Gottsched 51759: 271–297), Poetologie (z.B. Breitinger 1741, II: 203–207) und Sprachphilosophie begegnen darüber hinaus auch theoretische Überlegungen zu ihrer Bildung und Bedeutungskonstitution und -analyse.

In meinem Vortrag möchte ich mich besonders auf sprachphilosophisch ausgerichtete Texte konzentrieren, da polylexikale Ausdrücke in dieser Perspektive historiographisch bisher wenig untersucht wurden. Ich werde mich dabei zuerst auf Texte von Chr. Wolff und J.H. Lambert konzentrieren.

In einem kleinen lateinischen Text zu Übersetzungen (1731, posthum 1 755von Unbekannt ins Deutsche übers.) spricht Wolff die Schwierigkeiten der Übersetzung von Redensarten und Idiotismen an, erklärt allerdings, dass ihr vollständiges Verständnis eine „Theorie der Redens=Arten“ erfordere, die ihrerseits im Rahmen einer „Wörter=Philosophie“ zu entwickeln sei. Diese müsse eine „allgemeine Gramma¬tick“ und eine „Rede=Kunst“ enthalten, in der Wörter und Redensarten, „auf ihre Gründe durch demonstrativische Lehr=Art gebracht wären“ (ibid.: 224).

Dieses extrem rationalistische Forschungsprogramm nimmt J.H. Lambert in seinen sprachphilosophischen Schriften auf, setzt ihm aber gleichzeitig pragmatisch und kognitiv begründete Grenzen. Die von ihm im Neuen Organon […] (1764, 2. Bände) entwickelte ‚hermeneutische‘ Theorie der Begriffs- und Wortbildung baut Lambert in der direkt im Anschluss entstanden, aber erst 1771 veröffentlichten Architectonic […] aus und wendet sie auf Begriffe an, die s.E. in verschiedenen Wissenschaften unklar definiert und auf unklare Weise gebraucht sind. In der „Vorrede“ zur Architectonic (o.S.) skizziert Lambert so eine Art Heuristik der Begriffsanalyse, die auf Sprachwissen, Sprachgebrauch, Kontextuntersuchungen, Begriffsfeldern und referentiellem Weltwissen aufbaut. Wie er diese Heuristik auf die Analyse von Wörtern und besonders auch Redensarten anwendet — beide Aspekte sind hier nicht voneinander trennbar — und welche Konsequenzen sich daraus für seine Bedeutungstheorie ergeben, soll untersucht werden.

Abschließend soll dieser Ansatz mit der Behandlung von Redensarten besonders in philosophisch-allgemeingrammatischen Ansätzen verglichen werden (A.F. Bernhardi 1801-03, 1805, K.F. Becker 1828, 1841, F. Schmitthenner 1828).

Literatur:

Becker, Karl Ferdinand, 1841. Organism der Sprache. 2. neu bearbeitete Ausga¬be. Frankfurt am Main: Kettembeil.

———, 1833. Das Wort in seiner organischen Verwandlung, Francfort, Hermann.

Bernhardi, August Ferdinand, (1801–1803): Sprachlehre. 2 Bde. I. Reine Sprachlehre; II. Angewandte Sprachlehre. Berlin: Frölich.

———, (1805): Anfangsgründe der Sprachwissenschaft. Berlin: Frölich.

Breitinger, Johann Jacob, 1740. Johann Jacob Breitingers Critische Dichtkunst. […]. 2 Bde., Zürich / Leipzig: Drell und Comp.

Burger, Harald, 1998 (22003). Phraseologie. Eine Einführung am Beispiel des Deutschen. Berlin: Schmidt.

Burger, Harald / Dobrovol'skij, Dmitrij / Kühn, Peter / Norrick, Neal R. (Hrsg.), 2007. Phraseologie, Phraseology. (= Handbücher zur Sprach- und Kommunikationsforschung 28/2). Berlin et al.: de Gruyter Mouton.

Cramer, Mathias, 1712–1715. Le vraiment parfait dictionnaire roial. Radical, Etimologique, Sinonimique, Phraseologique&Sintactique FRANÇOIS — ALLEMAND pour l’une & pour l’autre Nation. Nuremberg.

Gottsched, Johann Christoph, 51759 (zuerst 1729). Ausführliche Redekunst [...]. Leipzig: Breitkopf.

Kühn, Peter, 2007. „Phraseologie des Deutschen: Zur Forschungsgeschichte.“ In: Burger et al. (Hrsg.), 619–643.

Lambert, Johann Heinrich, 1764. Neues Organon oder Gedanken über die Erforschung und Bezeichnung des Wahren und dessen Unterscheidung vom Irrtum und Schein. 2 Bände. Leipzig: Johann Wendler.

———, 1771. Anlage zur Architectonic oder Theorie des Einfachen und Ersten in der philosophischen und mathematischen Erkenntniß, 2 Bde., Riga: Hartknoch.

Linke, Angelika, 1982. „Indizien, die sich aus Grammatiken und Sprachlehrbüchern ergeben.“ In: Burger, Harald / Buhofer, Annelies / Sialm, Ambros, Handbuch der Phraseologie. Berlin / New York: de Gruyter, 360–376.

Menzel, Wolfgang Walter, 1996. Vernakuläre Wissenschaft : Christian Wolffs Bedeutung für die Herausbildung und Durchsetzung des Deutschen als Wissenschaftssprache. Tübingen: Niemeyer.

Müller, Peter O. / Kunkel-Razum, Kathrin, 2007. „Phraseographie des Deutschen.“ In: Burger et al. (Hrsg.), 939-949.

Schmitthenner, Friedrich (1826): Ursprachlehre. Entwurf zu einem System der Grammatik mit besonderer Rücksicht auf die Sprachen des indischteutschen Stammes: das Sanskrit, das Persische, die pelasgischen, slawischen und teutschen Sprachen. Frankfurt am Main: Herrmann.

Spitzl-Dupic, Friederike, 2004. „Wortbildung aus sprachphilosophischer Sicht: Johann Heinrich Lambert.“ In: Beiträge zur Geschichte der Sprachwissenschaft, 14.1, 41–67.

———, 2014. „Vom Nutzen der Metaphern, Gleichnissen, Modellen [sic], und des Gegentheils im Erfinden.“ In: Lefèvre, Michel (Hrsg.). Linguistische Aspekte des Vergleichs, der Metapher und der Metonymie. (= Eurogermanistik 33). Tübingen: Stauffenburg, 153–168.

Ulbrich, Daniel, 2011. „Translatio Scientiarum. Übersetzung als Verwissenschaftlichung bei Christian Wolff.“ In: ders. (Hrsg.). Jahrbuch für Europäische Wissenschaftskultur. Stuttgart: Steiner, 147–170.

Wolff, Christian, 1731 (1983). „De Versione Librorum iuxta Philosophiae nostrae ador-nanda“. In: ders. Gesammelte Werke, II. Abteilung: Lateinische Schriften Band 34.3, hrsg. von Jean École. Hildesheim / New York: Olms, 242–281.

———, 1755. „Von Uebersetzungen, und wie sie beschaffen seyn sollen. Aus dem Frühjahrsquartal der Marburgischen Neben=Stunden.“ In: (Hrsg. u. Übers. unbekannt). Des weyland Reich-Freyherrn von Wolff übrige theils noch gefundene kleine Schriften und einzele Betrachtungen zur Verbesserung der Wissenschaften. Halle: Rengerische Buchhandlung, 209–233.



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Pierre Swiggers (Leuven; B)

„Sprache und Sprechen im Kontext“: Louis Gauchat

[Abstract folgt_]



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Michela Tardella (Rom; I)

Language in contexts — language as context. Tullio De Mauro on communication

As is well known, in the Shannon-Weaver model — which is generally referred to as a ‘trasmission model of communication’ — communication itself is conceived as a linear and unidimensional phenomenon. The model, in fact, assumes that communication can be seen in terms of exchanging messages through the mediation of a code: the message would be a kind of ‘package’, independent from both the actors involved and the context in which the communication takes place. Despite the fact that this model has been strongly criticized (Reed, 1979), and that some alternative communication models are available, a lot of work is still to be done, in order to integrate them from a theoretical point of view. In our opinion, the approach of one of the most important Italian philosopher of language, Tullio De Mauro (1932–2017), could be helpful to this aim. In his exegesis of the Saussure’s Cours de linguistique générale, he argues that in Saussure’ thought both time and linguistic community play a constitutive role in communication processes. By drawing on Saussure’ theoretical framework, De Mauro elaborates a concept of language comprehension in terms of complexity. Far from being a merely decoding process, comprehension gets into play a number of features, among which the linguistic creativity, the indeterminacy of meaning, the co-textual constraints and the metalinguistic property of language are the most important.

References:

De Mauro, T. (1967), ‘Introduzione e Commento’ a F. de Saussure, Corso di linguistica generale, Bari, Laterza.

——— (1982), Minisemantica dei linguaggi non verbali e delle lingue, Bari, Laterza.

Reddy, M.J. (1979), 'The Conduit Metaphor: A Case of Frame Conflict in our Language about Language', in Andrew Ortony (Ed.), Metaphor and Thought, Cambridge, Cambridge University Press.

Shannon, C. E. (1948), 'A Mathematical Theory of Communication', Part I, in Bell Systems Technical Journal, 27, pp. 379–423.



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Alexander Teixeira Kalkhoff (Freiburg; D)

Speech sounds in the field

In the 1920s and up to the 1940s, North American and European linguistics were, to a large extent, shaped by a discussion about the distinction between phonetics and phonology and its seminal concept of the phoneme. As an interesting parallelism, we can state within the two geographical spheres two similar approaches to speech sounds emerged — one, which we can call atomistic and user-independent (or context-indifferent), and another one, which is holistic, relativistic, and subject-oriented (or context-sensitive). Leonard Bloomfield (1933), Morris Swadesh (1934), and Nikolai Trubetzkoy (1939) belong to the first approach while the second approach is represented by Edward Sapir (1925), Benjamin Lee Whorf (cf. Lee 1996) and Karl Bühler (1931 and 1934) (for the American tradition cf. Hymes & Fought 1975).

The common ground for the American context-sensitive approach is the view that lexically distinctive speech sounds within a given speech community cannot be defined exclusively by absolute phonetic features. Every time a speaker speaks or a hearer is confronted with continuous and highly variable speech signals, he or she forms a relativistic part of the configuration as a whole. Hence, there is always a relativistic correlation between the phonemes of a given language, as well as between the hearers and speakers and these speech sounds.

Bühler’s gestalt approach to phonology refers to the Indian concept of ‘sphota’, which means that the whole of the word or sound gestalt let “burst” the meaning of the lexical item at once, and no one can say which precise aspect of the gestalt has produced that effect of recognition. Here, speech sounds are one perceptional aspect of the word gestalt among others.

The goal of my contribution is to provide a systematic view of the epistemological background (ethnology, field theory in physics, Einstein’s relativity theory, gestalt theory, the psychology of perception) and the network (teacher-student-affiliations, correspondences, connections between Europe and North America) of the linguists mentioned above. Furthermore, although the context-sensitive approach did not become a dominant paradigm within phonology, I want to appreciate and critically reflect upon some of its claims, such as the Whorfian concept of allophony (Trager & Bloch 1941).

References:

Bloomfield, Leonard. 1933. Language. New York: Henry Holt.

Bühler, Karl. 1931. Phonetik und Phonologie. Travaux du Cercle Linguistique de Prague 4. 22–52. Bühler, Karl. [1934] ²1965. Sprachtheorie. Die Darstellungsfunktion der Sprache. Stuttgart: Fischer. Hymes, Dell & Fought, John. 1975. American Structuralism (Janua linguarum 102). The Hague: Mouton.

Lee, Penny. 1996. The Whorf Theory Complex (Studies in the History of the Language Sciences 81). Amsterdam: Benjamins.

Sapir, Edward. 1925. Sound patterns in language. Language 1(2). 37–51. Swadesh, Morris. 1934. The phonemic principle. Language 10(2). 117–129.

Trager, Georges L. & Bloch, Bernard. 1941. The syllabic phonemes of English. Language 17(3). 223–246. Trubetzkoy, Nikolai Sergejewitsch. 1939. Grundzüge der Phonologie (Travaux du Cercle Linguistique de Prague 7). Prague.



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Viktor Tichák (Olmütz; CZ)

Die Konstitution des Aspektualitätsgedankens

Gibt es Aspekt im Englischen? Gibt es Aspekt im Französischen? Gibt es Aspekt im Deutschen? Diese Fragen stellen sich die Sprachforscher, die sich mit der „einsprachigen“ Linguistik beschäftigen, aber auch diejenigen, die die kontrastive Linguistik prägen, wenn sie als Ausgangsprache eine „Sprache ohne Aspekt“ genommen haben.

In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurden zwei wichtige Arbeiten publiziert, die sich der Geschichte der Fragestellungen in Bezug auf das Deutsche widmen; die eine von Antonín Beer, die andere von Hans Wolfgang Pollak. Die Arbeiten des späteren 20. und auch 21. Jahrhunderts beschäftigen sich meistens mit synchronen Beschreibungen von Phänomenen, die mit der Aspektualität zusammenhängen, und die Wissenschaftsgeschichte wird nur in der Einführung oder beiläufig behandelt. Häufig sind demnach sogar in den meistzitierten Werken der Aspektforschung Unklarheiten zu finden, die unter anderem damit zusammenhängen, dass die Forscher nicht ad fontes gearbeitet haben und ihre Schlussfolgerungen nur durch Zitate aus der Sekundärliteratur belegt haben.

Es soll vom Aspekt geschrieben werden. Es handelt sich im vorliegenden Beitrag allerdings primär weder um die Geschichte der einzelnen Termini noch um die Geschichte der Aspektologie als einer linguistischen Teildisziplin, sondern um die Geschichte des Konzepts, der Idee von Aspektualität, also von einer inneren temporalen Struktur der Verben im Zusammenhang mit der deutschen Sprache.

In dem Beitrag wird eine bestimmte Zeitspanne des deutschsprachigen Diskurses beschrieben, nämlich die Anfänge der deutschen Aspektologie, von 1824 bis 1854, also von Grimms Vorwort zur serbischen Grammatik Vuk Karadžićs, in dem er sich mit den Verhältnissen im Deutschen auseinandersetzt, bis zum Aufsatz von August Schleicher Das Futurum im Deutschen und Slawischen. Es wird versucht, die Geschichte der Idee von einer Dimension der verbalen Aspektualität im Deutschen zu erforschen, also des Konzepts einer Perspektivierung der internen temporalen Verhältnisse von deutschen Verben.



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Benoit Vezin (Paris; F / Potsdam; D)

Die Beschreibung aspektueller Merkmale in romanischen Grammatiken des 17. Jh.

In diesem Vortrag geht um die Zwischenergebnisse meiner Dissertation zum Thema der Beschreibungen aspektueller Merkmale in den romanischen Grammatiken des 17. Jh.. Genauer soll es um die theoretischen Beschreibungen des romanischen Verbalsystems und der semantischen Deutung der Tempora gehen. Diese haben das griechisch-lateinische Grammatikmodell als Vorlage und passen es den Sprachveränderungen und Grammatikalisationsprozessen der romanischen Sprachen an. In dieser Hinsicht gewinnen die neuen sprachtheoretischen Modelle des 17. Jh. an Unabhängigkeit gegenüber den Ursprungsmodellen, wie man am Beispiel der Grammatik von Port- Royal (1660) beobachten kann. Im Vortrag sollen anhand von einzelnen Repräsentanten der behandelten Grammatiktraditionen (französisch, spanisch, italienisch, portugiesisch) die Gemeinsamkeiten und die Unterschiede der grammatischen Beschreibungen näher untersucht werden.

Diese grammatische Kategorie hat sich als solche in europäischen sprachtheoretischen Werken erst im 19. Jh. etabliert. Forscher wie Jean-Marie Fournier, Sylvain Auroux und Sylvie Archaimbault haben jedoch gezeigt, dass es eine „Préhistoire“, eine Vorgeschichte, dieser Kategorie gibt bzw., dass es eine Entwicklung in den grammatischen Beschreibungen gegeben hat, die zur modernen Theorie geführt hat. Diese Annahme wird in meiner Arbeit in Bezug auf die romanischen Grammatiken weiter vertieft.

Im Gegenteil zu reinen Aspektsprachen (Griechisch; slawische Sprachen) ist die Kategorie „Aspekt“ in den romanischen Sprachen nicht voll ausgeprägt und sehr eng mit der temporalen Bedeutung verknüpft, die von Vergangenheitstempora ausgedrückt werden. Dennoch werden aspektuelle Merkmale sehr früh in den französischen Grammatiken beschrieben, wie z.B. in der Grammatik von Charles Maupas (1607) (Nathalie Fournier 1986). Die romanischen Grammatiken werden mit Bezug auf ihren gemeinsamen theoretischen Rahmen — grammatisches griechischlateinisches Ursprungsmodell — behandelt. Es wird erforscht, wie dieses Modell den romanischen Sprachen zu der Zeit des 17. Jh. angepasst wurde und wie neue Ideen unabhängig von diesem Modell entstehen.

Dabei wird im Vortrag kurz der Fokus auf die Grammatikalisationsprozesse der romanischen Sprachen hinsichtlich der Entwicklung des zusammengesetzten Perfekts gerichtet, die zu einer Umstrukturierung des Verbalsystems geführt haben. Danach werden die italienischen, französischen und spanischen Beschreibungsversuche kontrastiv nebeneinandergestellt, um Strategien der Beschreibungen festzustellen. Es werden dafür Arbeiten von Fournier (2013), Vallance (2014) und Villalba (2017) herangezogen.

* This project has received funding from the European Union’s Horizon 2020 research and innovation programme under the Marie Skłodowska-Curie grant agreement No 665850.



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Frank Vonk (Arnheim/Nijmegen; NL)

Benveniste lesen — Zur Semiotik-Semantik-Frage bei Benveniste und Agamben

Wenn man sich in das Werk des italienischen Philosophen Giorgio Agamben (1942) hineinliest, trifft man auf unterschiedliche theologische, politische, juristische, methodologische und auch sprachphilosophische Fragen, die sein Werk entscheidend bestimmen. Es ist kein systematisches oder abgeschlossenes Werk, das Agamben uns bietet, ist aber schon histor(iograph)isch geprägt. Sein Denken kreist um Themen wie menschlich und politische Ausnahmezustände (beispielsweise der heutigen Migrantenproblematik), Fragen der Schwellen zwischen Aktualitäten und (Im-) Potenzialitäten (z.B. des Nicht-tätig-seins als Option des Menschen), Natalität oder Kindheit, theologische Quellen der Ökonomie oder der Profanierung des Sakralen.

Was sofort ins Auge fällt, ist aber daß diese Themen irgendwie mit einander verbunden sind und ältere und neuere linguistische Ansichten zu Agamben methodische Überlegungen beitragen: Außer Aristoteles, Benjamin, Arendt, Heidegger oder Foucault taucht auch der Name des französischen Meilletschülers Emile Benveniste (1902–1976) sehr häufig auf. Agamben versucht nachzuweisen, daß Benveniste durch seine Metasemantik und der kritischen Gegenüberstellung einer semiotischen (sprachlichen) und semantischen (diskursiven) Funktion der Sprache einerseits Saussure und Foucault „überwunden“ und andererseits die subjektive, psychologische Dimension (des experimentum linguae) durch eine genaue Analyse von deiktischen Ausdrücken, wo die Dualismen wie parole/langue oder diachronie/synchronie philosophisch thematisiert habe.

Agamben geht in diesem Zusammenhang ausführlich auf Benvenistes Theorie des Aussageaktes (l’énonciation) ein, die eine Subjektivierung des Menschen im sozialen Kontext erst ermöglicht und damit auch eine ethische Dimension erst ermöglicht: „Indem der Mensch seine Subjektivität in der Sprache zum Ausdruck bringt (sich selbst als Subjekt konstituiert), konstituiert er zugleich ‚seine‘ Sprache (im Sinne von langue), [wenn auch] die Sprache jedes Menschen zumindest minimal von der aller anderen Sprecher ‚derselben‘ Sprachgemeinschaft verschieden [ist]. [Die] langue ist [ein] sekundäres Konstrukt zur individuellen Aneignung der Sprache“ (Auer 1999: 58). Auf die „Bedeutung“ von Benvenistes Sprachtheorie für Agambens philosophisches Denken wird in diesem Vortrag genauer eingegangen.

Literatur:

Auer, Peter (1999): Sprachliche Interaktion. Eine Einführung anhand von 22 Klassikern. Tübingen: Niemeyer.



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John Walmsley (Bielefeld; D)

A context without a theme? Pure Grammar 1921–60 as a uniquely English phenomenon

Grammar enjoyed an established position in English schools for more than six hundred years. Due to changing circumstances it came in the eighteenth and nineteenth centuries to be ever more of a problem. Grammar was finally abolished as a compulsory subject in the elementary school in 1890, "to the joy", it was said, "of children and teacher".

Despite the abolition, a lively debate ensued as to the necessity or otherwise of grammar, and the form grammar-teaching could or should take. After the first Word War the British government commissioned reviews of major areas of the curriculum. The Committee responsible for English reported its findings as The Teaching of English in England (Report). The crisis which grammar-teaching had become was given separate treatment under the ominous title 'The Problem of Grammar' (Report 1921: 278-94), and 'Pure Grammar' (PG) was the proposed solution.

There were, however, difficulties with PG. It had no agreed definition. It was neither developed as a theory of grammar nor implemented in schools. Abroad, its appearance was not noted by foreign grammarians, and no comparable development was registered in other western countries. PG was a uniquely English phenomenon. But why? It seems to have died a natural death by about 1960.

PG has received little if any attention from historians of linguistics. This episode nevertheless documents in imporftant ways the state of linguistic scholarship in England in the first half of the twentieth century. Analysis of the contextual factors which led up to the crisis lays bare deficits at school and university level which had disciplinary consequences — the context altered the way in which 'grammar' was perceived in England, down to and including individual grammatical categories.

References:

Board of Education (1921). The Teaching of English in England. London: HMSO. (Report).



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Joy Weigand (Potsdam; D)

The history of collocation in the context of modern corpus linguistics

Although the study of corpora through the collection of texts dates back prior to the Middle Ages, modern corpus linguistics dates back to the 1950s. Since then, corpus linguistics has gain prominence as an emerging field. Whereas corpus linguistics is concerned with text, collocation concentrates on the surrounding words in the text. And this term, Collocation, has been around since the 15th century. But like the field corpus linguistics, the term collocation in use in relation to corpus linguistics, has its origins in the 1950s. Collocation has been defined in various manners for different areas of linguistic research. While some definitions have focused on the quantitative aspects, others have taken into account the qualitative aspects. Although, when we think of collocation, we often focus on the syntactic relevance, we cannot forget that at the heart of collocation is its semantic relevance, as it is the meaning of the combination of the words which is derived from the context that provides significance. The purpose of this talk is to diachronically examine the word collocation to understand its use in the context of corpus linguistics. Answering the question: how has the term collocation changed in the context of corpus linguistics over time?


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Rundbrief Studienkreis Geschichte der Sprachwissenschaft (ISSN 0938-0361): 48/2018 – Tagungen des SGdS (Abstracts)
©2018 by Klaus D. Dutz Nachf., Münster — Design & Betreuung: Angelika Rüter, Münster

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